Fog nets in Bolivia
© Peter Trautwein

Nebelnetzprojekt in Bolivien

Mit innovativen Ideen aus der Natur Trinkwasser gewinnen

Projektrückblick

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    In der Region Valles Cruceños versorgt ein innovatives Projekt zur Trinkwassergewinnung aus Nebel heute mehr als 400 Menschen mit dringend benötigtem, zusätzlichen Trinkwasser. Das von der spanischen Hilfsorganisation Zabalketa und der bolivianischen Nichtregierungsorganisation Instituto de Capacitación del Oriente (ICO) durchgeführte Projekt lief von 2019 bis 2023. Es wurde von der WasserStiftung und der Münchener Rück Stiftung gemeinsam finanziert. Mit Hilfe von Nebelnetzen kann in Regionen mit geringen Niederschlägen wertvolles Trinkwasser gewonnen werden. An allen vier Standorten in Bolivien hatte das Nebelnetzprojekt einen deutlich positiven Effekt auf die Bevölkerung vor Ort. Eine Publikation fasst die Projektergebnisse nun abschließend zusammen.

    Die Anfänge des Nebelerntens

    Die Trinkwassergewinnung mit Nebelkollektoren ist zwar neu in Bolivien, hat aber weltweit eine lange Geschichte: Die ersten Prototypen wurden bereits in den 1960er Jahren in Chile gebaut. Herausforderungen wie starke Winde und Sonneneinstrahlung erforderten jedoch Verbesserungen bei der Konstruktion und den verwendeten Materialien. In enger Absprache und Kooperation entwickelten die WasserStiftung, die aqualonis GmbH und die Technische Universität München die ursprüngliche Technologie weiter und schufen den Kollektortyp CloudFisher. Statt einfacher Raschelnetze werden nun dreidimensionale Netze und elastische Expander verwendet, die der Konstruktion mehr Stabilität geben. Zusätzlich sind die Auffangrinnen fest mit den Netzen verbunden. 

    Nach gemeinsamen Projekten der Münchener Rück Stiftung und der WasserStiftung in Tansania und Marokko und vielen Erfahrungen aus diesen Projekten wurden 2022 die neuen Nebelkollektoren in der Region Valles Cruceños in Bolivien installiert.


    Wie funktioniert die Wassergewinnung mit Nebelnetzen?

    Ein Nebelnetz ist eine Konstruktion zum Auffangen von Wassertröpfchen aus Nebel. Das Prinzip ist einfach, aber in Gebieten mit regelmäßigem Nebel sehr effektiv. Der Wind treibt die feuchte Luft durch das Nebelnetz. Anschließend werden die winzigen Nebeltröpfchen in den Netzen aufgefangen und fließen hinab in Auffangrinnen, die direkt mit Zisternen und dem Wasserversorgungssystem verbunden sind.  In Bolivien sammelt das System auch Regenwasser, wodurch ein doppelter Nutzen entsteht, da Regenwasser bislang nicht effektiv aufgefangen wurde.  

    Nebelnetze sind nur in Gebieten mit Wasserknappheit und unter bestimmten Wetterbedingungen mit ausreichender Nebelbildung sinnvoll. In den meisten Fällen bildet sich Nebel in Küstengebieten oder in der Nähe von großen Seen. Anders ist es in der Region Valles Cruceños, einer gebirgigen Gegend. Hier entsteht bedingt durch die großen Höhenunterschiede in Bolivien der Nebel auch im Landesinneren.

    Weitere Informationen finden Sie im Bericht auf Seite 17.

    Zunehmende Wasserknappheit

    In vielen Regionen der Welt verschärft sich die Wasserknappheit zunehmend, was immer wieder zu Dürreperioden führt. Es ist daher entscheidend, eine nachhaltige Wasser- und Sanitärversorgung sicherzustellen, um wasserbedingte Krankheiten zu verhindern, den Verlust der Biodiversität zu stoppen und die Folgen des Klimawandel einzudämmen. Strategien für ein nachhaltiges Wassermanagement sind heute dringender denn je.

    Auch Bolivien ist stark von Wasserknappheit betroffen, insbesondere in der Region Valles Cruceños. Die ungleichmäßige Verteilung der Niederschläge über das Jahr und das Fehlen einer kommunalen Infrastruktur zur Wasserspeicherung und -verteilung schränken die Wasserversorgung der lokalen Gemeinden erheblich ein. Gleichzeitig ist der Wasserbedarf für die von Landwirtschaft geprägte Region, insbesondere für die Obst- und Gemüseproduktion, sehr hoch. Aber in der Region gibt es eine alternative Wasserquelle: den Nebel. Das Nebelnetzprojekt nutzt diese ungenutzte Ressource, um der Wasserknappheit entgegenzuwirken und die Lebensqualität der lokalen Bevölkerung zu verbessern.
     

    Standort und Wirkung

    Im Rahmen des Projekts wurde der Kollektortyp CloudFisher an vier Standorten installiert. Über 400 Menschen profitieren nun von dieser sicheren Trinkwasserressource.

    • Schule Alto Veladero: 128 Personen (110 Schüler:innen, 18 Mitarbeitende), 13 CloudFisher, 102,6 m² Netzfläche, bis zu 35.000 Liter Wasser pro Monat.
    • Central Veladero und Sahuintito Veladero: 170 Personen (43 Familien), 5 CloudFisher in Central Veladero, 12 CloudFisher in Sahuintito, 134,2 m² Gesamtnetzfläche, ganzjährige Wasserversorgung gewährleistet.  
    • Sivingalito: 120 Personen (32 Familien), 12 CloudFisher, 94,7 m² Netzfläche, mit Anschluss an die Hauptwasserleitung. 
       

    Beispiel: Schule Alto Veladero

    Die Diagramme zeigen den Projektstandort Veladero Schule und die Gesamtwassermenge, die monatlich von den Nebelkollektoren gewonnen wird. Um die Erträge der einzelnen Standorte vergleichen zu können, wurde das Wasservolumen pro Quadratmeter Netzfläche berechnet. Das hier gewonnene Nebelwasser wird für die Wasserversorgung der Schüler:innen und Lehrer:innen verwendet. An den anderen drei Standorten wird das Nebelwasser in das kommunale Wasserversorgungsnetz eingespeist.

    Die Wassererträge der anderen drei Standorte finden Sie in der Publikation auf Seite 47. 

    Wassererträge des Projektstandorts Veladero Schule
    Diagramm der Nebelnetze auf dem Veladero Schulgelände

    Umweltfreundliche Technologie

    Nebelkollektoren können in Gebieten mit regelmäßigen Nebelvorkommen wie der Region Valles Cruceños in Bolivien einen wertvollen Beitrag zur Sicherstellung der Wasserversorgung leisten. Ganz ohne fortschrittliche Technologien oder Spezialgeräte liefern Nebelnetze in den kritischen Trockenmonaten zusätzliches Trinkwasser für die Bevölkerung. Die Technologie ist ökologisch und nachhaltig und nutzt nur die natürliche Kondensation zur Wassergewinnung. Darüber hinaus sind die Wartungskosten im Projekt gering, und die Systeme sind einfach und ohne technisches Wissen zu bedienen, was den Gemeinden zugutekommt. 


    Soziale Auswirkungen

    Das Projekt geht jedoch weit über die Wassergewinnung hinaus. Es umfasst auch Trainings zum verantwortungsvollen Umgang mit Wasser, zu Hygienemaßnahmen und Wassermanagement. Gerade an den Schulen fördert das Projekt bei den Schüler:innen von klein auf das Bewusstsein für die wertvolle Ressource Wasser wie auch für die Natur und stärkt so Verantwortungsbewusstsein und Resilienz. Nebelnetzprojekte haben das Potenzial, soziale Ungerechtigkeit beim Zugang zu sauberen Wasser zu verringern, insbesondere in marginalisierten Gemeinschaften weltweit.


    Erfolgreicher Projektabschluss

    Die Nebelnetze in der bolivianischen Region Valles Cruceños zeigen, wie innovative Technologien vorhandene Ressourcen, wie den Nebel, nutzen können, um die Wasserversorgung zu sichern und die Lebensqualität der lokalen Bevölkerung zu verbessern.

    Dieses Projekt verdeutlicht, wie gezielte technologische Lösungen die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung in den Bereichen Wasser, soziale Entwicklung und Umweltschutz unterstützen können.

    2012: 
    Pilotprojekte gestartet: Zabalketa startete mit Unterstützung der baskischen Unternehmensgruppe NER Pilotprojekte in Peru und Bolivien, um die Nebelnutzung zur Wiederaufforstung in niederschlagsarmen Gebieten zu testen.
     

    2015: 
    Installation von Nebelnetzen: In den Valles Cruceños wurden größere Nebelnetze installiert, um abgelegene Haushalte mit Wasser zu versorgen.
     

    2018: 
    Studie und Standortbestimmung: NER führte eine Studie durch und ermittelte zehn potenzielle Standorte für Nebelkollektoren in der Region Valles Cruceños.
     

    2019: 
    Projektstart: Die WasserStiftung und die Münchener Rück Stiftung unterstützen das Projekt von ICO und Zabalketa finaziell und starten das Projekt zum Aufbau von CloudFisher-Nebelkollektoren.
     

    2022: 
    Installation abgeschlossen: Die Installation der CloudFisher-Systeme an vier Standorten wurde im September abgeschlossen. Diese Standorte waren die Veladero Schule, Central Veladero, Sahuintito und Sivingalito.


    2022-2023: 
    Zwischen Oktober 2022 und März 2023 wurden Daten zur Nebelwassergewinnung gesammelt. Die Ergebnisse wurden anhand von zwei wichtigen Faktoren ausgewertet: Niederschlag und Häufigkeit von Nebel pro Monat. Darüber hinaus wurden Schulungskurse für lokale Organisationen, Umweltbildungsveranstaltungen für Schüler:innen und eine kleine Konfernz zum Thema Wasser in Vallegrade durchgeführt.
     

    2023: 
    Erfolg: An allen Standorten wurden insgesamt zwischen 3.000 und 35.000 Litern Wasser pro Monat gesammelt.  
    Detaillierte Diagramme finden Sie im Bericht auf Seite 47.