Landwirtschaft und Klimaschutz – wie schaffen wir die Transformation?
Dialogforum in Kooperation mit der Akademie für Politische Bildung in Tutzing - Zusammenfassung
15. Mai 2024
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Möglichst viele Treibhausgase einsparen
Um das Klima zu schützen, gebe es in der Landwirtschaft eine ganze Reihe von Maßnahmen, erläuterte Heißenhuber. Dazu gehöre, Stickstoffüberschüsse zu reduzieren, Methan in Biogas umzuwandeln, regenerative Anbaumethoden zu fördern und Wälder zu schützen. Entscheidend sei, die knappen Mittel möglichst effizient einzusetzen und jenen Maßnahmen den Vorrang zu geben, die bei vergleichbaren Kosten am meisten Treibhausgase einsparen. Eine Vielzahl von Maßnahmen hat auch der Bayerische Bauernverband in seiner Klimaschutzstrategie zusammengefasst, wie Umweltreferent Andreas Puchner vom Bayerischen Bauernverband erläuterte.
Ein weiterer Ansatz besteht darin, den Bodenaufbau mithilfe von sogenannten Humuszertifikaten zu fördern. Bodenschonendes Wirtschaften wird mit dem Verkauf dieser Zertifikate entlohnt. Durch den langsamen, aber stetigen Aufbau von Humus wird Kohlenstoff im Boden gespeichert, wodurch eine Kohlenstoffsenke entsteht. Diese Senken werden für die Umstellung auf eine klimaneutrale Landwirtschaft unerlässlich sein. Allerdings ist es schwierig, den Erfolg dieses Ansatzes in der Praxis zu messen. Zudem kann nicht garantiert werden, dass der Kohlenstoff langfristig im Boden gespeichert bleibt. Externe Faktoren, wie Dürren oder Hitzewellen tragen zum Beispiel zu einem schnellen Humus-Abbau bei, für den Landwirt:innen nicht verantwortlich gemacht werden können. Im schlimmsten Fall drohen dann Rückzahlungen von erhaltenen Geldern.
Als Pflegerin trägt die Landwirtschaft den Boden sozusagen auf Händen, als Betroffene muss sie mit dem Klimawandel leben, ist aber gleichzeitig mitverantwortlich für die Erderwärmung.
Landwirtschaft ganz ohne Klimagase unmöglich
Reform der EU-Agrarpolitik unumgänglich
Dass in der Agrarpolitik längst nicht alles eitel Sonnenschein ist, machte Tobias Schied, Junglandwirt und Sprecher der jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Baden-Württemberg (jAbL), deutlich. Insgesamt wären zwar ausreichend Gelder vorhanden, die Mittel würden aber nach dem Gießkannenprinzip wenig zielgerichtet verteilt. Auch Heißenhuber sieht die Konstruktion der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) kritisch, die vor allem auf flächengebundene Direktzahlungen an die Landwirte setze. Zudem sei die GAP mit Auflagen und Subventionen überfrachtet. Dieses System zu ändern, erfordere einen enormen Kraftakt. „Aber wir können ein System, das nicht gerecht ist, nicht weiterführen, denn dann sinkt die Akzeptanz in der Gesellschaft, deren Steuergelder schließlich verteilt werden.“
Problematisch ist außerdem die Vorgabe der EU, dass Landwirt:innen pauschal vier Prozent ihrer Landfläche nicht mehr agrarisch nutzen sollen und dafür entschädigt werden. Das Problem ist erstens, dass diese Stilllegungsflächen nicht immer ökologisch sinnvoll sind und auch nicht zwingend zum Klimaschutz beitragen, wenn sie willkürlich gewählt werden. Zweitens arbeiten viele kleinere Betriebe bereits am Rande der Wirtschaftlichkeit und vier Prozent weniger Ertragsfläche bedeuten schmerzhafte finanzielle Einbußen. Dass in Deutschland im vergangenen Jahr rund 40 Prozent des Budgets für freiwillige Umweltleistungen nicht abgerufen wurden, führte Umweltreferent Andreas Puchner vom Bayerischen Bauernverband auf die oft unattraktiven Regelungen zurück. Ein hohes Maß an Auflagen und Bürokratie trägt zur mangelnden Attraktivität bei.
Schied forderte, Land stärker nach Gemeinwohlkriterien zu verpachten, da das klassische Modell, in welchem Kinder den elterlichen Betrieb übernehmen, stark rückläufig sei. In der Folge landen viele Landflächen zu hohen Preisen auf dem freien Investorenmarkt, was es ökologisch interessierten Landwirt:innen zunehmend erschwert, sich eine Existenz aufzubauen. Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen sollte gerechter verteilt sein und nicht in den Händen weniger liegen.
Position der Landwirtschaft in der Wertschöpfungskette stärken
Transformation aktiv gestalten
Die Landwirtschaft steht aufgrund des Klimawandels vor einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Bereits 2021 hat die von der Bundesregierung eingesetzte Zukunftskommission Landwirtschaft Empfehlungen für einen ökologisch nachhaltigen und ökonomisch tragfähigen Agrarsektor vorgelegt, die jedoch nicht umgesetzt wurden. „Es ärgert mich, dass diese Lösungen jahrelang in den Schubladen verschwunden sind und erst jetzt wieder hervorgeholt werden, das kann ich nicht glauben“, empörte sich Heißenhuber. Außerdem plädierte er für mehr Partizipation der Betroffenen und für mehr Dialog zur Lösung der anstehenden Konflikte: „Wir brauchen diesen Schritt, um eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern.“
Die Transformation muss wegen ihrer gesamtgesellschaftlichen Ausstrahlung aktiv gestaltet werden, von Politik, Handel, Verbraucher:innen und natürlich den Landwirt:innen selbst. Keine Frage: Der Umbau der Land- und Ernährungswirtschaft erfordert erhebliche Anstrengungen, er bietet aber auch große Chancen.
Podiumsgäste
Prof. Dr. Dr. h.c. Alois Heißenhuber
Emeritus am Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie, Technische Universität München-Weihenstephan
Andreas Puchner
Umweltreferent, Bayerischer Bauernverband
Tobias Schied
Junglandwirt und Sprecher der jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Baden-Württemberg (jAbL)
Konrad Schmid
Ministerialdirigent, Landwirtschaftsministerium München
Moderation
Renate Bleich
Geschäftsführerin, Münchener Rück Stiftung
Veranstaltungsort: Saal Europe, Munich Re, Giselastraße 21, München
Veranstaltungszeit: Mittwoch, 8. Mai 2024 um 18:00 Uhr