Rettung in weiter Ferne oder echte Fortschritte?
COP28 - Eine Nachlese
Zusammenfassung
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Anfang vom Ende des fossilen Zeitalters
Nachdem die erstmalige Bestandsaufnahme (Global Stocktake) seit dem Pariser Abkommen auf der Konferenz gezeigt habe, wie weit die Welt von ihren gesteckten Klimazielen entfernt sei, habe man sich darauf geeinigt, auch weiterhin das 1,5-Grad-Ziel als Orientierung für die weiteren nationalen Klimapläne (Nationally Determined Contributions, NDCs) zu nehmen. „Das war nach den Ergebnissen früherer Konferenzen nicht selbstverständlich“, so Gorißen. Zudem hätten die Teilnehmerstaaten die von den Wissenschaftler:innen des Weltklimarats IPCC vorgegebenen nötigen Emissionsminderungen anerkannt. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz hat sich die globale Staatengemeinschaft erstmals auf eine Abkehr von der Nutzung fossiler Energieträger geeinigt. Dieser Übergang soll gerecht, geordnet und ausgewogen erfolgen, mit dem Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050.
Petter Lydén, Bereichsleiter für internationale Klimapolitik bei der Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch, begrüßte, dass dieser Ausstieg noch in diesem Jahrzehnt intensiv vorangetrieben werden soll. Er machte aber auch deutlich, wie entscheidend das Wording sei: „Man muss zwischen harten Verpflichtungen und freiwilligen Maßnahmen unterscheiden“, dämpfte er die Erwartungen. Als kontraproduktiv auf dem Weg zu globalen Netto-Null-Emissionen sieht er die zunehmenden Diskussionen um die CO2-Speicherung im Untergrund (Carbon Capture and Storage, CCS) und den hohen Stellenwert des fossilen Brennstoffs Gas als „Brückenenergie“.
Langsam gewinnen ist wie verlieren
Auch Nathaniel Matthews konnte der Klimakonferenz viel Positives abgewinnen. Allerdings seien die Fortschritte noch viel zu zögerlich, so der Vorstandsvorsitzende der Global Resilience Partnership (GRP), einem Zusammenschluss von Organisationen zur Förderung von Resilienz. „Langsam gewinnen ist beim Klima dasselbe wie verlieren“, zitierte er den Umweltaktivisten und Buchautor Bill McKibben. Das Fenster, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, schließe sich schnell, und selbst bei dieser Temperaturerhöhung seien weltweit erhebliche Umweltveränderungen zu erwarten. Mit den derzeit vorgelegten nationalen Klimaschutzplänen steuere man auf 2,8 Grad Erderwärmung zu.
Mit Blick auf Anpassung und Resilienz lobte er die historische Entscheidung, den Loss and Damage Fund mit 700 Millionen Dollar auszustatten, auch wenn die Größenordnung bei weitem nicht dem Bedarf entspreche. „Optimistisch stimmt mich das wachsende Engagement des Privatsektors und der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Bereich der Anpassung und die Erkenntnis der Klimakonferenz, dass Anpassungs- und Resilienzmaßnahmen Hand in Hand mit den Anstrengungen zum Klimaschutz gehen müssen“.
Chancen für die Privatwirtschaft
Der Finanzbedarf ist enorm, wie Klimabeauftragter Gorißen deutlich machte: „Wir sprechen hier von mehreren Billionen US-Dollar in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Das kann die öffentliche Hand nicht alleine stemmen.“ Einen Ausweg bieten Public Private Partnerships, aber auch für den Privatsektor allein ergeben sich laut Matthews enorme Chancen: „Eine auf der COP28 gemeinsam mit der Unternehmensberatung Boston Consulting Group vorgestellte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Unternehmen, die in resilienzfördernde Maßnahmen investieren, ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 2:1 bis 15:1 erreichen können.“ Zudem liege es im eigenen Interesse der Unternehmen, ihre Wertschöpfungsketten und Kunden in gefährdeten Ländern zu schützen.
Lydén plädierte für die Erschließung innovativer Finanzierungsquellen. Als Beispiele nannte er die Besteuerung von Ölkonzernen oder die Umverteilung eines Teils der Einnahmen aus dem Emissionshandel. „Solche Maßnahmen sind in der Regel schwer durchzusetzen, haben aber ein enormes Potenzial, wenn sie umgesetzt werden“, machte er deutlich. Auch wenn die Einhaltung der nationalen Klimaverpflichtungen NDCs allein bei den Regierungen liege, sei die Privatwirtschaft nicht aus der Verantwortung entlassen, so Lydén. „In vielen Fällen muss man sogar anerkennen, dass private Akteur:innen die Verpflichtungen ernster nehmen als ihre eigenen Regierungen, vor allem wenn es um konkrete Klimamaßnahmen geht.“ Bei der Finanzierung komme den Regierungen jedoch die Schlüsselrolle zu, indem sie geeignete Rahmenbedingungen schaffen: „Sie können viel tun, indem sie risikomindernde Maßnahmen ergreifen und die Sicherheit erhöhen. Das ermöglicht es privaten Unternehmen in Ländern zu investieren, die sonst für sie nicht profitabel wären.“
Natur und Biodiversität im Blick
Komplexität bremst Fortschritt
Ein vielfach geäußerter Vorwurf gegen die Klimaverhandlungen ist deren langsamer Fortschritt und die immer noch zu wenig ambitionierten Umsetzungspläne. Die Referierenden skizzierten, warum diese Kritik berechtigt ist, erklärten aber auch die Ursachen dafür. Während der COP diskutieren 192 Unterzeichner (Parties, also Länder oder Zusammenschlüsse wie die EU), wie das Pariser Klimaabkommen umzusetzen sei. Jede der Parties entsendet dutzende, teils weit über 100 Delegierte. Verhandlungen mit mehreren tausend Teilnehmer:innen sind natürlich nicht möglich, so dass sich viele Länder in Gruppen zusammenschließen – zum Beispiel niedrig-gelegene Inselstaaten. Zunächst muss dann ein Konsens in den Gruppen gefunden werden, bevor es in die globale Diskussion geht.
Bei der Verabschiedung von Texten wird dann bis ins kleinste Detail teils erbittert gestritten: Soll ein Ziel strikt „vorgegeben“ werden? Oder sollen die Länder zu etwas „aufgefordert“ oder gar nur „ermutigt“ werden? Jedes einzelne Verb hat weitreichende Konsequenzen in der nationalen Klimapolitik der Länder. Hinzu kommt, dass Klimapolitik mittlerweile alle Bereiche der nationalen Planungen betrifft, angefangen von Landwirtschaft über Verkehr, Sicherheit bis hin zur Gesundheitspolitik. Das führt dazu, dass auf den COPs dutzende Verhandlungsstränge parallel stattfinden – bis zu 24 Stunden am Tag. Einen großen Paradigmenwechsel hob Lydén jedoch hervor: „Seit der Konferenz in Glasgow 2021 fokussieren die Verhandlungen nicht mehr so sehr auf die Verabschiedung von zukünftigen Zielen, sondern es geht hauptsächlich um deren Umsetzung. Wir haben uns von der Frage, „ob“ wir etwas tun sollen, global gelöst und konzentrieren uns verstärkt auf das „wie“. Das ist ein echter Meilenstein!“
Die COP28 hat mit der ersten globalen Bestandsaufnahme gezeigt, dass die Weltgemeinschaft viel entschiedener gegen die Erderwärmung vorgehen muss. Nicht nur bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen, sondern auch beim Aufbau von mehr Widerstandsfähigkeit gegen die Auswirkungen des Klimawandels sowie bei der finanziellen und technologischen Unterstützung. Auf dem nächsten Gipfel COP29 in Aserbaidschan wird sich erweisen, ob der Aufforderung an die Regierungen, den Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen, auch tatsächlich Taten gefolgt sind.
19. Januar 2024
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Veranstaltungsdetails
Expert:innen:
Norbert Gorißen
Beauftragter für Klimaaußenpolitik und stellvertretender Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amtes für internationale Klimapolitik
Nathaniel Matthews
CEO von Global Resilience Partnership (GRP)
Petter Lydén
Bereichsleiter für internationale Klimapolitik, Germanwatch
Moderation:
Renate Bleich
Geschäftsführerin Münchener Rück Stiftung
Veranstaltungsdatum: 16. Januar 2024
Beginn: 18:00 Uhr
Dauer: 60 bis 75 Minuten
Sprache: Englisch