Klimawandel und Naturgefahren in Deutschland:
Strategien gegen Überflutungen, Dürren und Hitzewellen
Dialogforum in Kooperation mit acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
30. Januar 2024, 18:00 Uhr
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Schon heute sterben in Deutschland viele Menschen an Hitze, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit.
Klimakennwerte geben die Richtung vor
Entscheidend für viele desaströse Folgen des Klimawandels sind nicht die langsam steigenden Durchschnittswerte, sondern die immer häufiger auftretenden Extremsituationen, erläuterte Michael Außendorf. Er ist stellvertretender Leiter des Klimazentrums am Bayerischen Landesamt für Umwelt. Anhand von Klimakennwerten wie Häufigkeit von Hitzetagen, Niederschlagsmengen oder Intensität von Trockenperioden ließen sich Trends erkennen und Projektionen für die Zukunft entwerfen. Je nach Szenario – Einhalten der Pariser Klimaziele oder Weitermachen wie bisher – ergäben sich höchst unterschiedliche Werte. So könnte es in Bayern im Jahr 2085 bis zu 22 zusätzliche Hitzetage (Tage mit einer Höchsttemperatur von über 30 Grad) geben, gegenüber einem Referenzzeitraum von 1970 bis 2000. In diesen Jahren gab es gerade einmal vier Hitzetage. „Das ist für den menschlichen Organismus sehr belastend. Schon heute sterben in Deutschland viele Menschen an Hitze, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit“, machte er deutlich. Auch Pflanzen und Tiere reagieren empfindlich auf die Erwärmung.
Bei der Anpassung an den Klimawandel sind die Kommunen besonders gefordert. „Sie kennen die Verhältnisse vor Ort, haben Entscheidungsbefugnisse und sind nah an den Menschen“, so Außendorf. Es gebe viele Möglichkeiten, wo Kommunen aktiv werden könnten. Etwa indem sie Versickerungsmulden für Starkregenschaffen, für mehr Grün auf den Dächern oder für kühlende Frischluftschneisen sorgen. Hindernisse seien Interessenskonflikte, der Flächendruck in vielen Städten sowie rechtliche Hürden. Hier wiederum sind Länder und Bund gefragt. „Es fehlte bisher ein gesetzlicher Rahmen. Ich hoffe, dass das Klimaanpassungsgesetz des Bundes diesen Rahmen bietet, damit das Thema bei den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf allen Ebenen ankommt“, so Außendorf. Ungeklärt sei jedoch die Frage, woher die notwendigen finanziellen Mittel für die Kommunen kommen sollen. Das Klimaanpassungsgesetz wurde Ende 2023 verabschiedet und soll Mitte 2024 in Kraft treten.
Der Klimawandel ist da. Wir müssen alles tun, um ihn beherrschbar zu machen!
Die Zeit läuft uns davon
Bürger:innen beteiligen statt Akzeptanz einfordern
„Wir wissen, was zu tun ist“, stimmte Außendorf zu. Versicherer, Politik und Kommunen müssten sich überlegen, wie sie die Menschen von den notwendigen Maßnahmen überzeugen. Es sei wichtig zu vermitteln, dass Klimaanpassung die Lebensqualität erhöhen und dazu beitragen kann, dass wir gut leben können. „Wenn die Kommunalvertreter dies gut kommunizieren, machen auch die Bürgerinnen und Bürger mit“, ist er überzeugt. Wörner ergänzte: „Allein Akzeptanz einzufordern ist der falsche Weg. Man muss sich darum bemühen, die Menschen zur aktiven Trägerschaft zu motivieren.“ Bei der Mediation zum umstrittenen Bau einer neuen Start- und Landebahn am Frankfurter Flughafen habe er die Erfahrung gemacht, dass Konflikte mit guter Kommunikation und Kompromissbereitschaft zur Zufriedenheit aller gelöst werden können.
Eine Möglichkeit, sich besser vor den Folgen des Klimawandels zu schützen, ist klimagerechtes Bauen. „Das fängt bei der Wahl der Materialien an, geht über die richtige Quartiersentwicklung und umfasst auch technische Innovationen zur Energieeinsparung“, machte acatech-Präsident Wörner deutlich. Zudem brauche es flexiblere Lösungen, um den sich verändernden Bedürfnissen gerecht zu werden. Das klassische Einfamilienhaus mit relativ viel Fläche und wenig Volumen sei nicht mehr zeitgemäß, wenn statt einer Familie nur noch die Eltern darin wohnen.
Im Jahr 2023 verursachten Naturgefahren wie Stürme oder Überschwemmungen in Deutschland versicherte Schäden von knapp fünf Milliarden Euro, der volkswirtschaftliche Schaden lag noch einmal um den Faktor zwei bis drei höher!
Vom Wissen zum Handeln – aber wie?
Vor dem klimagerechten Bauen stehe die Standortwahl, mahnte Rauch und nannte als Negativbeispiel das vor gut zwei Jahren von einer Hochwasserwelle überflutete Ahrtal. „Bis auf 34 Häuser wurden alle Gebäude am ursprünglichen Standort wieder aufgebaut“, bestätigte auch Moderatorin Renate Bleich von der Münchener Rück Stiftung. Der Chefklimatologe von Munich Re beklagte die häufige Diskrepanz zwischen Taten und Fakten. „Wir müssen angesichts des Klimawandels umdenken und neue Lösungen für altbekannte Probleme finden, da sind wir noch nicht angekommen.“ Versicherer können durch die Gestaltung ihrer Policen nur einen kleinen Beitrag zum klimaangepassten Wiederaufbau leisten. Die weitaus größeren Hebel finden sich woanders. Standortaufgaben und Ausweisung von neuen, sicheren Bauflächen sind durchaus möglich, wenn Politik und Kommunen das wollen. Das zeigen die Umsiedlungsprogramme beim Kohletagebau. Im Endeffekt ist es eine Frage der Prioritäten. Und risikobewusstes Handeln hat leider auf vielen Ebenen noch nicht den Stellenwert, den es eigentlich haben müsste.
Mit mehr und besserer Aufklärung über Risikovermeidung und Prävention in den Medien könnte man versuchen, die Menschen aufzurütteln und zu mehr Vorsorge zu bewegen, auch wenn laut Außendorf der Gestaltungsspielraum in einer Mietwohnung begrenzt ist. Durch die Einflussnahme auf Abgeordnete im eigenen Wahlkreis oder das Engagement in Nichtregierungsorganisationen hat die einzelne Bürger:in aber schon Möglichkeiten, die Politik in die richtige Richtung zu lenken. „Man darf sich als Einzelner nicht machtlos fühlen. Entscheidungen werden getroffen, wenn die Gesellschaft hinter der Politik steht. Da bin ich sehr optimistisch“, zeigte sich Rauch überzeugt.
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02. Februar 2024
Weitere Informationen zur Veranstaltung
Podiumsgäste:
Prof. Dr.-Ing. Jan Wörner
Präsident, acatech
Ernst Rauch
Chief Climate und Geo Scientist, Munich Re Group
Michael Außendorf
Klimazentrum, Bayerischen Landesamt für Umwelt
Moderation:
Renate Bleich
Geschäftsführerin, Münchener Rück Stiftung