Licht aus, Heizung runter, rauf aufs Rad - Was ist Dein Beitrag zum Klimaschutz?
Dialogforum am 26. April 2022
Online und in den Räumen der Munich Re
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Wer das Klima schützen will, sollte als Erstes darauf achten, Energie einzusparen und auf Erneuerbarere Energien zu setzen. Aber es gibt noch eine Reihe weiterer Stellschrauben für ein klimafreundlicheres Leben, wie die Experten anlässlich des vierten Dialogforums der Reihe „Smarte Lösungen für den Klimaschutz“ deutlich gemacht haben. Dazu braucht es passende politische Rahmenbedingungen sowie ein System aus Anreizen und Verboten.
Schon mit wenigen einfachen Maßnahmen kann jeder von uns seinen CO2-Fußabdruck verkleinern, zeigte Julian Bischof, Forscher am Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt, auf. So senkt etwa ein Sparduschkopf die Emissionen um 0,3 Tonnen CO2 pro Jahr, ein Flugverzicht bringt Einsparungen von 0,5 Tonnen und bewusster Konsum sogar jährlich 2,2 Tonnen. „Das ist nicht die Lösung unserer Probleme, aber ein Schritt in die richtige Richtung“, räumte Bischof ein. Der Weg zur Klimaneutralität führt für ihn über die „Dreifaltigkeit“ von Effizienz, Suffizienz (der freiwilligen Konsumreduzierung etwa durch Verzicht auf eine Urlaubsreise) und Substitution (beispielsweise der Ersatz von Erdgas durch Biogas oder der Bezug von Ökostrom). „Jede einzelne Strategie für sich alleine wird nicht zum Ziel führen, die Kombination aller drei Ansätze ist wichtig“, machte er klar.
Schon mit wenigen einfachen Maßnahmen kann jeder von uns seinen CO2-Fußabdruck verkleinern. Ein Sparduschkopf senkt die Emissionen um 0,3 Tonnen CO2 pro Jahr, ein Flugverzicht bringt Einsparungen von 0,5 Tonnen und bewusster Konsum sogar jährlich 2,2 Tonnen.
Julian Bischof
Forscher am Institut für Wohnen und Umwelt (IWU)
Politik muss die Weichen stellen
„Radeln ist gut, sich politisch engagieren noch besser“, meinte Heike Holdinghausen, Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt bei der taz. Jeder könne einen Beitrag leisten. Aber um die Verkehrswende herbeizuführen, brauche es entsprechende politische Rahmenbedingungen und genug Menschen, die die Wende unterstützen und mittragen. Es sei wichtig, den Veränderungen nicht im Weg zu stehen, verdeutlichte sie das Problem. Neben dem politischen Engagement könne man, Parteien wählen, die effektive Konzepte für den Klimaschutz anbieten. Die Politik müsse Anreize durch staatliche Investitionen schaffen, aber auch Verbote auf den Weg bringen, wie etwa ein Tempolimit.
Radeln ist gut, sich politisch engagieren noch besser.
Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt, taz, Berlin
Dass das Thema Mobilität die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes bewegt und für viele immer wichtiger geworden ist, machte Prof. Dr. Meike Jipp, Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung am Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) deutlich. „Während jede Person in Deutschland 2002 im Durchschnitt täglich 33 Kilometer unterwegs war, waren es 2017 bereits 39 Kilometer. Gleichzeitig stieg die mobil verbrachte Zeit von 72 auf 80 Minuten täglich, was gut 480 Stunden im Jahr entspricht.“ Mobilität sei ein Grundbedürfnis, das die gesellschaftliche Teilhabe ermögliche. Allerdings müssen wir die CO2-Emissionen um rund 60 Prozent verringern, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. „Das ist schwer, weil es dafür keine technische Lösung gibt, aber gleichzeitig leicht, weil wir es mit unserem Verhalten selbst in der Hand haben, indem wir die eigene Komfortzone verlassen“, so die Expertin.
Belohnen statt bestrafen
Für Kai Horn, Leiter Vertrieb und Marketing bei der Mobilitätsplattform highQ, führt der Weg zu einer gemeinwohlkonformen Mobilität der Zukunft über das Prinzip "belohnen statt bestrafen". Sein Unternehmen will die Mobilitätswende vorantreiben und arbeitet mit Kommunen, öffentlichen Verkehrsanbietern und Firmen zusammen, um verschiedene Mobilitätsangebote einer Region zu vernetzen. Es gibt viele Möglichkeiten, positive Anreize zu schaffen: durch besondere Firmenparkplätze für Fahrgemeinschaften, bessere Daten über Staus und Baustellen oder dadurch, dass man den Menschen die Vorteile des öffentlichen Nahverkehrs nahe bringt. „Wenn man Informationen liefert, wie viel CO2 sich durch bestimmte Verkehrsalternativen sparen lässt und aufzeigt, wie diese Alternativen zeitlich abschneiden, kann man die Menschen zum Umstieg bewegen.“ Dabei setzt Horn auf Plattformen, die alle Mobilitätsformen diskriminierungsfrei vernetzen. „Dazu zählen Fahrräder, Scooter und Carsharing-Angebote genauso wie ausreichend Parkplätze, um die Mobilität insgesamt zu verbessern.“ Statt Mitarbeitern einen Dienstwagen zur Verfügung zu stellen, könnten Unternehmen etwa über ein Mobilitätsbudget nachdenken, das für alle Verkehrsmittel gilt.
Wenn man Informationen liefert, wie viel CO2 sich durch bestimmte Verkehrsalternativen sparen lässt und aufzeigt, wie diese Alternativen zeitlich abschneiden, kann man die Menschen zum Umstieg bewegen.
Kai Horn
Leiter Vertrieb und Marketing, Mobilitätsplattform highQ, Freiburg
Neben dem Verkehrssektor ist auch der Gebäudesektor mit seinen CO2-Emissionen weit entfernt von Klimaneutralität. „Im Bereich Wohnen hat der Einzelne als Mieter allerdings wenig Möglichkeiten, den CO2-Ausstoß zu beeinflussen, sieht man einmal von der Raumtemperatur ab“, gab taz-Redakteurin Holdinghausen zu bedenken. Angesichts hoher Kosten für Dämmung oder Wärmepumpen sei es auch für Eigentümer schwierig, klimaneutral zu heizen, ohne sich enorm zu verschulden. „Bei der Entscheidung zwischen Sanierung oder Neubau muss man zudem den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes sowie deren „graue“ Emissionen, die bei der Herstellung von Baustoffen anfallen, betrachten“, ergänzte IWU-Experte Bischof. Zusätzlich wissen Bauherren und die Gesellschaft noch zu wenig über emissionsarmes Bauen mit Holz oder Stroh. ,Man beschränkt sich daher auf alte Gewohnheiten und baut lieber mit Beton.
Konsumverhalten überdenken
Wirksame Stellschrauben zur CO2-Reduktion bietet der private Konsum, der nach Angaben von Bischof immerhin für ein Drittel der Pro-Kopf-Emissionen steht. „Hier kann sich jeder überlegen: Was brauche ich tatsächlich und gibt es dazu eine nachhaltigere Alternative?“ Nicht sehr groß sei der Hebel bei der Ernährung. „Eine sehr fleischlastige Ernährung schlägt etwa mit einer Tonne CO2 pro Jahr und Kopf zu Buche, das steckt ein Kurzstreckenflug von 2 bis 3 Stunden locker in die Tasche“, so der Experte. Neben dem Klimaschutz gilt es aber beim Konsum von Fleisch auch an Haltungsbedingungen und Flächenbedarf zu denken. Taz-Redakteurin Holdinghausen plädierte daher dafür, die Besteuerung von Lebensmitteln von derzeit 7 Prozent zu verändern, so dass tierische Nahrung mit 19 Prozent und pflanzliche gar nicht besteuert wird. „Derart veränderte Rahmenbedingungen sind sinnvoller, als dass sich jeder Einzelne überlegt, ob er auf die Currywurst verzichtet.“
Als Psychologin fände ich es natürlich besser, wenn Begeisterung alleine reichen würde. Aber wenn man sich die Realität ansieht, wird es ohne Bestrafung nicht gehen.
Prof. Dr. Meike Jipp
Institutsleiterin, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut für Verkehrsforschung, Berlin
Ob das Prinzip „Belohnen statt Bestrafen“ ausreicht, um unsere klimaschädlichen Verhaltensweisen zu ändern, beurteilt Meike Jipp skeptisch. „Als Psychologin fände ich es natürlich besser, wenn Begeisterung alleine reichen würde. Aber wenn man sich die Realität ansieht, wird es ohne Bestrafung nicht gehen.“ Das Problem dabei sei, dass man durch Zwang die individuelle Freiheit einschränkt, was zu psychischen Erkrankungen oder zu Aufruhr in der Bevölkerung führen könne, wie man es bei den Gelbwesten-Protesten in Frankreich erlebt hat. „Wir sollten bei der Freiheitsdebatte jedoch auf die Freiheit von allen achten“, forderte Holdinghausen. Etwa von Kindern, die unter dem Autoverkehr leiden, oder die Freiheit der Menschen in der Stadt, deren Freiraum durch parkende Autos eingeschränkt werde.
Das Tal der Tränen überwinden
Ein großes Hindernis auf dem Weg zu mehr Klimaschutz sind jahrelang gepflegte Gewohnheiten und die Trägheit in jedem von uns. Im Grunde wissen wir alle, dass es ohne Verzicht – freiwillig oder auf die harte Tour – nicht gehen wird. „Der Gewinn, der aus diesem Verzicht resultiert, muss stärker betont werden“, empfahl Jipp. Auch wenn das schwer ist, weil wir immer zuerst etwas verlieren. „Wir müssen zunächst ein Tal der Tränen durchschreiten, und das ist aus politischer Sicht schwer durchzustehen,“ ist sich die DLR-Institutsleiterin bewusst. Aber: „Unsere Verantwortung ist so groß, dass wir etwas ändern müssen,“ lautete das Fazit von Holdinghausen. „Und wir sollten uns nicht großartig fühlen, wenn wir unseren Lebensstil dem ein bisschen annähern, was in weiten Teilen der Welt ganz normal ist“, ergänzte sie.
"Licht aus, Heizung runter, rauf aufs Rad - Was ist Dein Beitrag zum Klimaschutz?" wurde von Andreas Unger, Jounalist und Moderator, geleitet. Rund 50 Zuhörerinnen und Zuhörer haben vor Ort und 80 virtuell bei der Veranstaltung teilgenommen. Das nächste Dialogforum findet am 24. Mai zum Thema „Nicht über 2 Grad Erderwärmung — Aber wie?“ statt. Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Übersichtsseite der Dialogforen 2022.