Wenn es um den Verbrauch von Ressourcen geht, stehen Städte an vorderster Stelle. Der Münchner Stadtrat will mit dem Programm „Circular Munich - Kreislaufwirtschaft für ein nachhaltiges München“ gegensteuern. Was bedeutet das Konzept in der Praxis und wie ist der Stand der Initiative? Die Podiumsgäste an der Hochschule München erklärten Zusammenhänge und beantworteten unsere Fragen.
Etwa drei Viertel der natürlichen Ressourcen werden in Städten verbraucht, gleichzeitig fällt dort die Hälfte des globalen Mülls an. München bildet da keine Ausnahme. Abhilfe will die Stadt durch den 2020 beschlossenen Aufbau einer Kreislaufwirtschaft schaffen, der Circular Economy. Ziel ist es, eine hohe Lebensqualität mit möglichst geringem Ressourcenverbrauch zu schaffen. „Circular Economy bedeutet, Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln, indem wertvolle Rohstoffe in einem dauerhaften Kreislauf genutzt werden“, erläuterte Moderatorin Paju Bertram von M:UniverCity, dem Innovationsnetzwerk der Hochschule München. Abfallvermeidung gehört zu dem Konzept genauso dazu wie die Wiederverwendung von Ressourcen. Damit die Transformation gelingt, sind neben technischem Know-how und Innovationen auch finanzielle Mittel und gesellschaftliche Veränderungen nötig.
Bausteine einer Circular Economy
Das Engagement Münchens für eine zirkuläre Stadt ist derzeit vor allem auf Klimaschutz und Energieeinsparung ausgerichtet, berichtete Günther Langer, Circular-Economy-Experte vom Referat für Klima- und Umweltschutz. „Wir müssen die Bereiche Konsum und zirkuläre Wirtschaft einbeziehen, sonst werden wir keine Klimaneutralität erreichen“, machte er deutlich. Weil die Stadt wie ein schwerfälliger Tanker agiere, laufe alles etwas langsamer ab, räumte Langer ein. Deshalb gebe es noch keinen umfassenden Plan, sondern nur einzelne Bausteine für eine Circular Economy. Einen Weg, die Veränderungen anzuschieben, zeigte die studentische Initiative „Club Loko“ auf. Der Club, so die beiden Mitgründerinnen Theresa Bader und Laura Hoepfner, will die Menschen dazu motivieren, die Zukunft in ihren Vierteln hin zu mehr Resilienz und Nachhaltigkeit zu gestalten. Sie wollen ein lebendigeres urbanes Zusammenleben erreichen, indem die kleinsten städtischen Einheiten, die Quartiere, wieder mehr Bedeutung bei den Planungen erlangen.
Leuchtturmprojekt Neuperlach
Auch wenn eine wirklich zirkuläre Wirtschaft in München noch in ferner Zukunft liegt, ist die Stadt in die „Circular Cities and Regions Initiative“ der Europäischen Kommission aufgenommen worden, wie Langer berichtete. Die Stadt erhält dadurch fachliche und finanzielle Unterstützung. Zudem fördert die EU das Projekt „Creating NEBhourhoods together“ in Neuperlach. Es soll den Stadtbezirk mit seinen ausgedehnten Grünflächen und dem ausgeprägten Gemeinschaftssinn in den nächsten zwei Jahren fit für den Europäischen Green Deal machen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Gebäuderenovierung und Integration.
Gerade im Bausektor, der für etwa 40 Prozent aller globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist, würde die Wiederverwendung von Baustoffen viel für das Klima bringen. Wie das funktionieren kann, erläuterte Sascha Stremming, Head of Space Development beim Impact Hub Berlin. Er und sein Team haben eine Lagerhalle zum CRCLR-House nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und der Nachhaltigkeit umgebaut. „Zirkuläres Bauen bedeutet, so viele Baumaterialien wie möglich von anderen Abrissbaustellen zu besorgen.“ Zudem sei es wichtig, modular zu bauen, um später leichter das eigene Baumaterial wieder in den Kreislauf zurückführen zu können. „In unserem CRCLR-House ist alles offen verschraubt und die Elektroleitungen sind nicht verschalt“, machte er deutlich. „Beim zirkulären Bauen muss man experimentierfreudig sein und immer damit rechnen, dass etwas schief gehen kann“, so Stremming und bemängelte zugleich die bürokratischen Hürden in Deutschland. Zudem seien die Kosten etwa 30 bis 40 Prozent höher als beim konventionellen Bau, weil man mehr logistischen Aufwand betreiben müsse und nachhaltige Baustoffe generell teurer seien. „Leider gibt es für zirkuläres Bauen anders als für Maßnahmen zu mehr Energieeffizienz keine staatliche Förderung“, bedauerte Stremming.
Boden eine knappe Ressource
Dass sich die Circular Economy nicht nur auf stoffliche Kreisläufe, sondern auch auf die knappe Ressource Boden beziehen müsse, machte Architekt und Stadtplaner Roman Leonhartsberger deutlich. Etwa, indem man Gemeinschaftsflächen anders nutzt. Als Beispiel führte er das „Schulhaus im Birch“ in Zürich-Oerlikon an, das eine Zentrumsfunktion für das Viertel erfüllt, indem Räumlichkeiten sowie Sportanlagen und Außenplätze einer allgemeinen Nutzung offenstehen. „Das wäre in Deutschland schon aus versicherungstechnischen Gründen nicht möglich“, beklagte Leonhartsberger, der auch Lehrbeauftragter an den Hochschule München ist.
Weil Innovationen für den Aufbau einer Circular Economy so wichtig sind, sind neue Ideen gefragt. Ein Weg dazu führt über die Co-Creation, die kreative Zusammenarbeit, wie sie Simon Göhler, Senior Berater SCE Projects GmbH, fördert. Er sieht sich als Brückenbauer zwischen jungen Menschen, die ihre Ideen ausprobieren wollen, und Unternehmen, die mit ihren Netzwerken und finanziellen Ressourcen Innovationen fördern wollen. „Co-Creation braucht Veränderung und den nötigen Raum, um sich zu entfalten“, erklärte er. Eine seiner Hauptaufgaben sieht er darin, die Kommunikation zwischen Startup und Unternehmen, am besten mit dem Vorstand selbst, am Laufen zu halten und für gegenseitiges Verständnis und Vertrauen zu werben. „Die Zusammenarbeit scheitert meistens an den etablierten Unternehmen, wenn diese sich nicht verstanden fühlen oder das Interesse verlieren“, weiß er aus Erfahrung. Außerdem müsse man eine Fehlerkultur etablieren und dürfe nicht alles zehnmal absichern, bevor ein Projekt angegangen wird.
Neues Leben für ausgemusterte Textilien
Auf Kooperationen mit Firmen setzt auch Anna Diermeier mit ihrem Startup ZURÜCK Zero Waste. Sie schenkt ausgemusterten Textilien beispielsweise aus der Hotellerie oder Schnittresten aus der Industrie eine neue Verwendung als Schürzen, Tüten, Tragesäcke oder Geschirrtücher. So wandern die Textilien nicht in den Müll, sondern zurück in den Kreislauf der Wiederverwertung. „Changemanagement braucht Begeisterung, und man sollte immer auf den Nutzen abstellen, sonst ist es schwierig, Menschen zu überzeugen“, ist Circular-Economy-Experte Langer überzeugt. Der Nutzen einer zirkulären Wirtschaft für München liegt auf der Hand. Sie ist ein elementarer Baustein auf dem Weg in die Klimaneutralität, die München bis 2035 anstrebt. Und weil immer mehr Startups das Thema Circular Economy für sich entdecken, stehen die Chancen nicht schlecht, mit vielen neuen Ideen dieses Ziel auch zu erreichen.
30. November 2022
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Programm:
- Podiumsdiskussion - Circular City im Gespräch
- Input Session - Circular City in der Praxis
- Networking - Circular City, Vorstellung von Münchner Initiativen
Begrüßung
- Prof. Dr. Klaus Sailer, GF Strascheg Center for Entrepreneurship
- Renate Bleich, GF Münchener Rück Stiftung
Podiumsgäste:
- Günther Langer, Referat für Klima- und Umweltschutz, Abteilung Circular Economy, Landeshauptstadt München
- Roman Leonhartsberger, Architekt und Stadtplaner, pan m & Lehrender an der Fakultät Architektur, Hochschule München
- Sascha Stremming, Head of Space Development Impact Hub Berlin + CRCLR House
- Simon Göhler, Senior Berater SCE Projects GmbH München
Moderation:
- Paju Bertram, Programm Management M:UniverCity
Veranstaltungsort:
SCE Creative Hall, Heßstraße 89, 80797 München